Die Einsetzung des ersten lutherischen Bischofs der Welt
am 20. Januar 1542 im Naumburger Dom
Die reformatorische Bewegung, die 1517 in Mitteldeutschland ihren Ausgang genommen hatte, erfasste bereits sehr früh auch das Naumburger Bistum - ein geistlicher Bezirk, der weite Teile Ostthüringens und Westsachsens bis in das Vogtland und das Erzgebirge umfasste. Der Übergang zur Reformation vollzog sich im Bistum Naumburg nicht gleichförmig und ohne Widerstände. Zahlreiche Städte der Diözese, darunter Zwickau, Altenburg und Schneeberg bekannten sich bereits in den frühen 1520er Jahren offen zum Luthertum ebenso wie die Dörfer der unter dem Einfluss der Wittenberger Reformatoren stehenden kursächsischen Gebiete. Im Hochstiftsgebiet jedoch - dem unmittelbaren Herrschaftsgebiet des Bischofs - und vor allem in den beiden bischöflichen Zentren Naumburg und Zeitz konnten die katholischen Kräfte noch längere Zeit Widerstand leisten. In Naumburg gelang es dem Domkapitel immer wieder, die Bemühungen der mehrheitlich lutherischen Bürgerschaft um eine durchgreifende Reformation der Stadt zu untergraben. Wenig Rückhalt fand das Kapitel dagegen beim Naumburger Bischof selbst. Denn seit 1517 herrschte der aus der Kurpfalz stammende Philipp von Wittelsbach als Administrator über das Bistum, der zugleich Bischof von Freising war. [Abb. Philipp v. Wittelsbach, Lukas Cranach d.Ä.] Während seines annähernd 24jährigen Episkopats weilte er nur sehr selten in der Naumburger Diözese. Nach dem Tod Bischof Philipps von Wittelsbach am 5. Januar 1541 bestimmte das Domkapitel in Naumburg in kanonischer Wahl den Naumburger Domherren und Zeitzer Stiftspropst Julius von Pflug (1499-1564) in dessen Abwesenheit zum Nachfolger im Bischofsamt. Doch Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen (1503-1554), der von den Nachfolgeverhandlungen ausgeschlossen worden war, setzte als Schirmherr des Naumburger Stifts seinen eigenen Kandidaten Nikolaus von Amsdorf (1483-1565) durch, einen protestantischen Theologen aus dem Freundeskreis Luthers. Am Morgen des 20. Januar 1542 wurde Amsdorf gegen den Widerstand des Domkapitels in einer denkwürdigen Zeremonie im Naumburger Dom in Anwesenheit des Kurfürsten und seiner Entourage zum ersten lutherischen Bischof der Welt ordiniert. Unter den Anwesenden befand sich auch die Wittenberger Prominenz, darunter Martin Luther, Philipp Melanchton und Georg Spalatin. Daneben sollen weit mehr als 1.000 Menschen an der Zeremonie im Dom teilgenommen haben. Der Einzug in die Kirche erfolgte unter feierlichen Gesängen. Der Naumburger Stadtprediger und Reformator Nikolaus Medler verlas einen Bibeltext über die Pflichten eines Bischofs (1. Tim. 3) und stellte Nikolaus von Amsdorf vor. Die Weihehandlung selbst wurde vor dem Kreuzaltar des Ostlettners vom greisen Luther persönlich vollzogen. Er soll ,,eine sehr gewaltige und tröstliche Predigt" über die Verantwortung eines Bischofs gehalten haben (nach Apg. 20, 28). Dann ermahnte er die Anwesenden in den bevorstehenden Auseinandersetzungen standhaft zu bleiben, ,,denn hiemit schlüg man dem Teufel aufs Maul, der würde gewisslich ergrimmen und zornig werden!"Schließlich kniete sich Amsdorf vor dem Altar nieder um von Martin Luther die Weihe zu empfangen. Am Altar standen ebenfalls der lutherische Abt des Naumburger Georgenklosters, Thomas Hebenstreit, Georg Spalatin, Nikolaus Medler und Wolfgang Stein. Anschließend wurde Amsdorf unter Gesängen von Chor und Anwesenden zum Bischofsstuhl geleitet.
Der Umstand, dass es zu diesem Zeitpunkt in der lutherischen Lehre noch gar keine Vorstellungen darüber gab, wie ein evangelischer Bischof zu weihen sei, veranlasste Luther zu seiner Schrift ,,Exempel, einen rechten christlichen Bischof zu weihen". Gegen 11 Uhr war die feierliche Zeremonie zu Ende.
Die Position des evangelischen Bischofs Amsdorf war von Anfang an sehr schwach. Wahrscheinlich war es die offene Ablehnung durch das katholische Domkapitel, die Amsdorf dazu bewog seine Residenz im sogenannten Schlösschen am Naumburger Marktplatz zu beziehen, also im Zentrum der lutherischen Ratsstadt. Im Zuge der Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 musste Amsdorf aus dem Stiftsgebiet fliehen. Erst jetzt konnte der formal bereits 1541 gewählte Julius von Pflug sein Bischofsamt antreten.
Seit 1939 erinnert eine figürliche Darstellung Martin Luthers an der mittelalterlichen Kanzel im Naumburger Dom an diesen für die Reformationsgeschichte bedeutsamen Akt. [Abbildung Kanzel 1466, Luther ganz rechts als fünfter Evangelist]